Antrag: Angemessenheitswerte der Kosten der Unterkunft — Runder Tisch KdU Region Hannover

Antrag gemäß § 8 der Geschäftsordnung

In den Sozialausschuss am 03.09.2024
In den Regionsausschuss am 10.09.2024
In die Regionsversammlung am 17.09.2024

Folgende Anträge sollen beschlossen werden:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt einen Runden Tisch „Kosten der Unterkunft Region Hannover“ einzurichten.
  2. An diesen Runden Tisch werden Akteure der Zivilgesellschaft wie der SoVD, der VdK, die Landesarmutskonferenz, der Deutsche Mieterbund Hannover sowie Organisationen der Sozial- Schulden-, Wohnungs- und Obdachlosenhilfe eingebunden.
  3. Die Verwaltung legt spätestens bis zum in der BDs 2837 (V) genannten Frist aktualisierte Angemessenheitswerte für die Unterkunft gemäß § 22 SGB II und § 35 SGB XII fest. Die Mietsteigerungen seit der Beschlussfassung der BDs 0668 (V) BDs sind dabei angemessen zu berücksichtigen. Diese Angemessenheitswerte sollen dann mit dem „Runden Tisch“ abgestimmt und umgehend zu einer neuen Beschlussdrucksache entwickelt werden.
  4. Die Verwaltung wird beauftragt eine Gegenüberstellung der Angemessenheitswerte der BDs 0668 (V) im Vergleich zu § 12 WoGG Anlage 1 für alle regionsangehörigen Gebietskörperschaften einzeln nach den Größen der Personenhaushalte zu erstellen.
  5. Bis zur Feststellung neuer Angemessenheitswerte durch die Regionsversammlung (voraussichtlich 1. Halbjahr 2025) werden die Mietobergrenzen (MOG) aus der BDs 0668 (V) dahingehend angepasst, dass die Werte aus § 12 WoGG Anlage 1 immer dann verwaltungsintern maßgeblich sind, wenn die Angemessenheitswerte aus der BDs unterhalb der Werte aus dem WoGG liegen.
  6. Die laufenden Kostensenkungsaufforderungen wie sie in 2387 (V) IDs beschrieben werden und (wohl) derzeit durch die Jobcenter der Region Hannover ausgeführt werden, sind auf weiteres einzustellen bis die Regionsversammlung neue Angemessenheitswerte beschlossen hat.
  7. Es wird die Einzelabstimmung der jeweiligen Anträge beantragt.

Begründung:

Im Rahmen diverser Leistungen nach Quellen des erweiterten Sozialrechts (SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz u.a.) werden Bedarfe der Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Zuständig für die Gewährung sind die kommunalen Träger. Die sog. Kosten der Unterkunft (KdU) umfassen dabei in aller Regel die Nettokaltmiete und die dazugehörigen Nebenkosten. Die anfallenden Kosten werden dabei anteilig von Bund, Ländern und Kommunen haushälterisch abgesichert.

Die Region Hannover hat diese letztmalig auf Grundlage der BDs 0668 (V) vor über zwei Jahren beschlossen (Mai 2022). In der Folge der Einführung des neuen Bürgergeldes wurde sodann für eine Übergangszeit die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gezahlt. Diese Karenzeit ist abgelaufen. Mit der Informationsdrucksache 2387 (V) hat die Verwaltung darüber informiert, wie sie nach Ablauf der Karenzzeit mit sog. Unangemessenen Unterkunftskosten umgehen will. Nach dem die Verwaltung nicht in der Lage war innerhalb der vom Bundessozialgericht vorgesehenen Zweijahresfrist eine neue rechtlich verbindliche Grundlage für die Angemessenheitsprüfung vorzulegen, sollte mittels einer Übergangsregelung eine neue verwaltungsinterne Praxis in Kraft treten. Die Drucksache wurde jedoch verwaltungsseitig zurückgezogen. Genannter Vorschlag sah u.a. vor eine Steigerung von 8,4 Prozent bei den neuen Angemessenheitswerten zu berücksichtigen. Dies erscheint der BSW-Fraktion kein angemessener Aufschlag zur Abwendung von nicht zu rechtfertigenden Kostensenkungsaufforderungen zu sein.

Bereits vor zwei Jahren hatte die Unterzeichnerin darauf hingewiesen, dass die in der genannten BDs 0668 (V) festgesetzten Angemessenheitswerte den zu erwartende Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht entsprechen würde. Die Überarbeitung der Angemessenheitswerte durch einen „Runden Tisch KdU“, wurde in der Folge mit den Stimmen der anderen Fraktionen und Gruppen in der Regionsversammlung abgelehnt.

Wie zu erwarten, hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Hannover weiter angespannt. Die Presselandschaft in Hannover berichtete in zahlreichen Publikationen über die zum Teil dramatisch steigenden Mieten und Nebenkosten (etwa Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) vom 23.4.2024 „Wohnen in Hannover: Nebenkosten steigen überproportional“; HAZ vom 24.4.2024 „In Sehnde steigen die Mieten noch moderat“; HAZ vom 24.4.2024 „Wenn die Miete schneller steigt als das Einkommen –Untertitel: Bald für viele unbezahlbar?-; HAZ vom 24.4.2024 Wohnen in der Wedemark – Wohnungsnot und hohe Mietpreise; HAZ vom 24.4.2024 „Mieten sind in Barsinghausen um ein Drittel höher als vor 10 Jahren“ HAZ vom 24.4.2024 „Wie können in Wennigsen bezahlbare Wohnung entstehen?; HAZ vom 24.4.2024 „Mieten in Burgdorf stark gestiegen“; HAZ vom 24.4.2024 „Mieten belasten Geldbeutel immer stärker (in Bezug auf Großburgwedel); HAZ vom 24.4.2024 „Es fehlen kleine und günstige Wohnung (in Bezug auf Gehrden); HAZ 24.4.2024 „Pattenser haben weniger Geld zum Leben; HAZ vom 24.4.2024 „Nach der Miete bleibt immer weniger Geld zum Leben (in Bezug auf Langenhagen); ebenso am selben Tag ein Artikel zur Stadt Ronnenberg und der Stadt Laatzen).

Mit der verwaltungsseitigen Rücknahme der BDs 2837 (V) ist der Versuch der Verwaltung, ihr Nichthandeln bei der Einhaltung der vom Bundessozialgericht geforderten zweijährigen Überprüfung der Angemessenheitswerte zu verschleiern gescheitert. Es ist in keiner Weise zu erkennen, dass sich die Verwaltung über die aktuelle Entwicklung am Wohnungsmarkt ausreichend orientiert hat. Mit der steigenden Inflationsdynamik und den Unsicherheiten der weltwirtschaftlichen Entwicklung ist nicht damit zu rechnen, dass es am Wohnungsmarkt zu einer Entspannung kommen wird. Das Versagen von Sozialdezernentin Hanke führt zu erheblicher Rechtunsicherheit. Es kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass in der Region Hannover noch nach einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitswerte gearbeitet wird. Dies wird durch die fehlende Handlungskompetenz und die Rücknahme der BDs 2837 (V) unterstrichen.

Immerhin ist die Regionsverwaltung in der Lage Ressourcen und Kapazitäten in einem jährlichen Bericht über die Entwicklung des Büroimmobilienmarktes zu investieren (vgl. Pressemitteilung der Region Hannover vom 9.7.2024). Der Wohnimmobilienmarkt scheint der Verwaltung nicht den gleichen Aufwand wert zu sein. Das beständige Vernachlässigen des Wohnungsmarktes scheint dabei methodisch zum Entlastungsfaktor bei den jährlichen Haushaltsberatungen zu gehören. Auch der Hinweis, dass zu Verzögerungen bei der Erstellung eines Mietspiegels für die Region Hannover kam, rechtfertigt nicht die Verzögerungen bei der Anpassung der Angemessenheitswerte.

Zu prüfen ist daher ein möglicher Erkenntnisausfall, wenn das schlüssige Konzept zur Berechnung des Angemessenheitswerte nicht zu den Ergebnissen einer bedarfsgerechten Berechnung der tatsächlichen Mietkosten gelangt. Für diesen Fall folgert das Bundessozialgericht (BSG):

Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt (stRspr, vgl. zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R – RdNr. 19).

Auf diese Konsequenz reagiert unsere Fraktion mit den Antragsteilen Nummer 4. und 5. Ferner ist für die die BSW-Fraktion wichtig, dass zukünftig nicht nur eine bedarfsgerechtere Ermittlung der Angemessenheit erfolgt, sondern generell eine andere Kultur der Sozialpolitik Einzug in die Regionsverwaltung erhält. Nur durch einen Runden Tisch KdU der Region Hannover kann mit den Betroffenen Leistungsempfänger*innen und deren sozialpolitischen Interessenvertreter*innen eine armutssichere Berechnung der Bedarfsmieten sicher verhandelt und getroffen werden. Ferner brauchen wir in der aktuellen dynamischen ökonomischen Gesamtsituation eine fristgerechte Neubestimmung der Angemessenheitswerte, damit die Transferleistungen nicht der Marktentwicklung auf Jahre hinterherlaufen. Dies ist nicht nur für die Leistungsberechtigten der KdU von entscheidendem Vorteil, sondern verringert auch das Risiko von weitergehenden Klagen vor den Sozialgerichten durch Verbände der Sozial- und Mieterberatung. Die dadurch entstehende Rechtssicherheit kann in Kombination mit der Idee des runden Tisch KdU zukünftig dazu führen, dass es jährliche Anpassungen der KdU gibt die sich in Zeiten dynamischer Preisentwicklungen die Risiken entstehenden Wohnkostenlücken minimieren.

Jessica Kaußen (Fraktionsvorsitzende und Regionsabgeordnete)
Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht in der Regionsversammlung Hannover

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