Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen,
der Zufall will es, dass gerade heute, wo wir als Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht unseren Antrag „Kein Werben fürs Sterben“ in die Regionsversammlung einbringen, in Hannover ein großes Militärspektakel stattfindet. In Anwesenheit von viel politischer Prominenz sollen sich anlässlich des 69-jährigen Bestehens der Bundeswehr auf dem Platz der Menschenrechte vor dem neuen Rathaus mehrere hundert junge Menschen in einem feierlichen Gelöbnis zum Dienst in der Bundeswehr bekennen. Auf der Homepage der Stadt heißt es dazu:
„Das Gelöbnis ist ein Beispiel für Brauchtum und Tradition in der Bundeswehr, ein Zeichen für die Aufnahme in die militärische Gemeinschaft und für die freiwillige Übernahme soldatischer Pflichten.“
Mit dabei: der niedersächsische Ministerpräsident Weil und Bundesminister Pistorius, der fordert, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ werden muss und demnächst für die SPD in Hannover bei der Bundestagswahl als Direktkandidat antritt.
Auch der grüne Oberbürgermeister Onay unterstreicht die Bedeutung der Veranstaltung: „Für Hannover ist es eine Ehre, Gastgeberin dieses Gelöbnisses zu sein. Wir sind ein bedeutender Standort der Bundeswehr, mit dem Kommando Feldjäger, der Schule für Feldjäger und Stabsdienst und dem Sitz des Landeskommandos Niedersachsens. Das feierliche Zeremoniell vor dem Neuen Rathaus macht die Bundeswehr öffentlich sichtbar. Das ist gut so.“
Wir als BSW halten es dagegen mit der örtlichen Friedensbewegung, die zum Protest gegen das militärische Spektakel aufgerufen hat: In einer Stellungnahme des hannoverschen Friedensbüros heißt es:
„So eine Veranstaltung passt nicht in eine Zeit, wo man wieder Kriegsangst hat, wo Deutschland wieder Vormacht zumindest in Europa werden will, wo im Bundestag Schritte zum Wieder-Aufleben der Wehrpflicht unternommen werden…“
Friedensbüro Hannover, 07.11.2024
Deshalb haben wir auch unseren Antrag „Kein Werben fürs Sterben“ gestellt – ein Antrag, der wohl vor 30 Jahren, als die Grünen noch eine Friedenspartei waren, so oder so ähnlich auch von ihnen gestellt worden ist oder hätte gestellt werden können.
Wir halten die von Bundeskanzler Scholz verkündete „Zeitenwende“ für einen Irrweg – nicht nur weil das Geld, was nun in die Aufrüstung und Kriegsertüchtigung der Bundeswehr gesteckt werden soll, an allen Ecken und Enden – Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Klimawandel – fehlt, sondern auch wegen ihrer Auswirkungen auf die mentale und politische Verfasstheit unserer Gesellschaft. Unsere Sorge ist, dass durch permanente Kriegs- und Aufrüstungspropaganda das verloren geht, was sich in großen Teilen der deutschen Gesellschaft nach 1945 aus guten Gründen schrittweise herausgebildet hatte: eine pazifistische, auf Frieden, Abrüstung und internationale Verständigung ausgerichtete Grundhaltung. Ich möchte deshalb mit einem Zitat des bekannten Militärhistorikers und Friedensforschers Wolfram Wette schließen:
„Der Wille zum Frieden löst rationales Handeln aus, also die Aufbietung sämtlicher Strategien zur Kriegsverhütung und Deeskalation von Gewaltkonflikten. An diesem unbedingten Willen zum Frieden hat es in der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges sowohl im Westen als auch in Russland gefehlt. Stattdessen eskalierte der Konflikt hin zum Krieg. Das alles war vermeidbar“.
Wolfram Wette, 30.10.2024
In diesem Sinne sehen wir unseren Antrag als einen Beitrag zur Erhaltung der Friedensfähigkeit unserer Gesellschaft.