Die Fraktion Bündnis Sahra Wagenknecht in der Regionsversammlung Hannover stellt folgenden Antrag:
Die Regionsverwaltung wird beauftragt, im nächsten Verkehrsausschuss eine Anhörung zur aktuellen wirtschaftlichen Situation der Transdev Hannover GmbH und der Transdev GmbH sowie zur Versorgungssicherheit des S-Bahn-Verkehrs in der Region Hannover durchzuführen.
Als anzuhörende Sachverständige sind einzuladen und sollen persönlich erscheinen:
Hartmut Körbs und Roman Bartels, jeweils Geschäftsführer der Transdev Hannover GmbH
Ulf-Birger Franz, als Verkehrsdezernent der Region Hannover
Steffen Krach, als Regionspräsident der Region Hannover
Ferner wird die Verwaltung beauftragt, die Anhörung der Sachverständigen und des Verkehrsdezernenten sowie des Regionspräsidenten für die Sitzung der Regionsversammlung am 1.7.2025 vorzubereiten und den Antrag auf Anhörung in dieser Regionsversammlung behandeln zu lassen.
Begründung:
Am 20.3.2024 hatten Abgeordnete der heutigen BSW-Fraktion beantragt, dass auf der Regionsversammlung vom 14.5.2024 eine Anhörung zur finanziellen Entwicklung der Transdev GmbH (Deutschland) und der Transdev Hannover GmbH stattfinden soll. Hintergrund war die
Entpflichtung der metronom GmbH aus laufenden Verkehrsverträgen zur Abwendung einer angeblichen Insolvenzlage.
In der ausführlichen Begründung des Anhörungsantrags vom 20.3.2024 wurde seitens der BSW-Fraktionsvorsitzenden Jessica Kaußen dargelegt, dass auch im Fall der Transdev GmbH eine ähnliche wirtschaftliche Schieflage nicht auszuschließen ist, was aus den öffentlichen Wirtschaftsberichten der Transdev GmbH aus den Jahren 2021 und 2022 klar erkennbar war.
Die Transdev Hannover GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Transdev GmbH in Berlin. Unter dem Dach letzterer Gesellschaft werden über ein Dutzend unternehmensrechtlich selbstständiger Tochtergesellschaften geführt, ganz überwiegend Gesellschaften, die regionale Eisenbahnverkehrsgesellschaften in ganz Deutschland betreiben. Die wirtschaftliche Verzahnung zwischen den Tochtergesellschaften und der Transdev GmbH ist zumindest im Fall der Transdev Hannover GmbH sehr eng. Das Unternehmensregister dokumentiert eine Mitteilung der Transdev GmbH im Verhältnis zur Transdev Hannover GmbH aus dem Jahr 2022 wie folgt:
Von der Transdev GmbH, Berlin, bis hin zur Transdev Hannover GmbH besteht eine ununterbrochene Kette von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen, die die jeweilige Obergesellschaft entsprechend § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung zur Verlustübernahme verpflichtet.
Diese enge wirtschaftliche Verzahnung zwischen der Transdev Hannover GmbH und der Transdev GmbH birgt indes wesentliche insolvenzrechtliche Risiken, denn die für die Transdev GmbH, Berlin im Unternehmensregister hinterlegten Konzernabschlüsse sind keineswegs unbedenklich. Bereits im Wirtschaftsjahr 2021 sprachen die Wirtschaftsprüfer der Ernst & Young GmbH in ihrem Abschlussbericht von wesentlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit. Für die Fortführung wesentlich war eine so genannte Patronatserklärung über 80 Millionen Euro der Transdev Group S.A. (Anmerkung der Unterzeichnerin: französische Aktiengesellschaft), um die Liquidität der Transdev GmbH sicherzustellen. Die Transdev GmbH in Berlin ist eine hundertprozentige Tochter der Transdev Group S.A., die wiederum im Besitz sowohl der Caisse de Depot (66 Prozent) und der deutschen Rethmann Gruppe (44 Prozent) steht. Die Caisse de Depot ist eine französische Staatsbank, die Rethmann Gruppe firmiert als europäische Aktiengesellschaft und ist im Besitz der Familie Rethmann. In letzteres Firmenportfolio gehört unter anderem die Firma Remondis.
Die wirtschaftliche Situation bei der Transdev GmbH Berlin im Jahr 2022 hat sich indes nicht verbessert. Im Gegenteil. Auch für dieses Wirtschaftsjahr weist die Transdev GmbH einen Verlust von 53,34 Millionen Euro aus. Die GmbH muss nun eine Kreditlinie in Höhe von 80 Millionen Euro bei der Transdev Group in Anspruch nehmen, um ihre Verbindlichkeiten fristgerecht erfüllen zu können. Dazu die Wirtschaftsprüfer der Ernst & Young GmbH (bekannt über den Wirecard-Skandal):
Die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit und damit die Fortführung der Unternehmenstätigkeit des Konzerns ist somit von der weiteren finanziellen Unterstützung durch die Gesellschafterin, Transdev Group S.A., Paris, Frankreich, abhängig.
Auch aus dem Geschäftsbericht 2023 lässt sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht ablesen. Die Lage bleibt wirtschaftlich prekär, insbesondere wenn sich die Menge der Strafzahlungen wegen mangelhafter Verkehrsleistungen nicht weiter beschränken lasse, kann dem Geschäftsbericht für das Jahr 2023 entnommen werden.
Im vergangenen Jahr wurde der Antrag auf Anhörung durch die Mehrheit der Regionsversammlung abgelehnt. Die Vertreter der Verwaltung spielten das Risiko der finanziellen Nöte des S-Bahnbetreibers herunter.
Ob sie dies wider besseres Wissen taten, bleibt aufzuklären. Richtig ist, dass mit der nichtöffentlichen Beschlussdrucksache 3858 (V) BDs auch die Verwaltung zugeben muss, dass die wirtschaftliche Lage beim Eisenbahnverkehrsbetreiber (EVB) prekär ist. Die Anlage zur BDs, ausgestellt von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Essen, bestätigt die Befürchtung, dass die Lage beim EVB schon längere Zeit wirtschaftlich bedenklich ist. Die im Bericht skizierten Szenarien bestätigen die Befürchtung der BSW-Fraktion, dass eine starke Einschränkung der Dienstleistungen der Transdev Hannover GmbH drohen könnte.
Neben der Frage, seit wann die Verwaltung selber zu der Einschätzung gekommen ist, dass beim EVB eine finanzielle Lage mit Insolvenzrisiko eingetreten ist, gilt es im Rahmen der Anhörung die tatsächliche Verantwortung für das Scheitern der S-Bahnprivatisierung in der Region Hannover zu klären.
Gegenstand der Beratung soll auch sein, ob die DB Regio bereit und in der Lage ist, im Fall des Ausfalls des Transdev Hannover GmbH kurzfristig als Aufgabenträger den S-Bahn-Verkehr in der Region Hannover aufrechtzuerhalten.
Ferner soll mit den Geschäftsführern des EVB Transdev Hannover GmbH unter anderem geklärt werden, ob es im Rahmen der Durchführung des Verkehrsvertrages zu strukturellen Benachteiligungen im Verkehrsbetrieb durch den Eigentümer der Bahnnetze, die Deutsche Bahn, kam und letztere somit Mitverantwortung für Zugausfälle und Verspätungen im S-Bahnverkehr des EVB trägt.
Abschließend soll geklärt werden, ob sich die Geschäftsführung des EVB bei der Durchführung des Verkehrsvertrages durch die Region Hannover ausreichend unterstützt sieht und ob die Region Hannover nach Einschätzung des EVB alles dafür getan hat, die finanzielle Schieflage beim EVB zu verhindern.
Ulrich Wolf
(Verkehrspolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bündnis Sahra Wagenknecht in der Regionsversammlung Hannover)